Evaluation und Verbesserung eines Auswahlverfahrens für Versicherungsvermittler
Kunde: ein internationaler Versicherungskonzern
Ausgangssituation: Der Kunde wollte ein neues Auswahlverfahren für Außendienstmitarbeiter einführen. Das geplante Verfahren bestand aus drei Verfahrensteilen mit verschiedenen Instrumenten:
Wir wurden beauftragt, das geplante Verfahren zu evaluieren und ggf. zu verbessern.
Um die prognostische Qualität des neuen Auswahlverfahrens beurteilen zu können, musste auch der Berufserfolg derjenigen Personen gemessen werden, die im Verfahren schlecht abschnitten. Anderenfalls hätten wir die Variation (Varianz) zu stark eingeschränkt und nicht mit varianzanalytischen Methoden, wie Regressionsanalysen, arbeiten können.
Als Teilnehmer der Studie kamen also nur bereits eingestellte Außendienstmitarbeiter infrage. Um mögliche negative Konsequenzen für die Teilnehmer auszuschließen, wurden sämtliche Daten anonymisiert erhoben und ausgewertet. 80 Außendienstmitarbeiter durchliefen das neue Auswahlverfahren und wurden hinsichtlich ihrer Eignung beurteilt. Zur quantitativen Bewertung des Berufserfolgs wurden anschließend über einen Zeitraum von 18 Monaten ihre Produktivitätsdaten erhoben, gemessen in Form der Stückzahl verkaufter Sachversicherungen (Stück SUHK) und der Höhe der verkauften Lebensversicherungen (Höhe LV).
Um die prognostische Qualität des Auswahlverfahrens zu beurteilen, wurden die Ergebnisse der Teilnehmer mithilfe einer multiplen Regressionsanalyse zu ihren Produktivitätsdaten in Beziehung gesetzt. Zusätzlich wurde eine Faktoranalyse durchgeführt, um die interne Konsistenz des Verfahrens zu beurteilen.
Hierbei wurden die drei Verfahrensteile zunächst separat untersucht, um herauszufinden, ob die Instrumente eines Verfahrensteils (z.B. die Fragen des Interviews) untereinander Korrelationen aufwiesen, d.h. ob sie eine Tendenz zeigten, unabhängig von den gemessenen Eigenschaften für einen gegebenen Kandidaten ähnliche Werte zu liefern.
Anschließend wurde geprüft, ob die drei Verfahrensteile miteinander korrelierten, d.h. ob sie für einen gegebenen Kandidaten hinsichtlich einer gegebenen Eigenschaft tendenziell ähnliche Werte lieferten.
In der Regressionsanalyse konnte kein Zusammenhang zwischen gutem Abschneiden im Auswahlverfahren insgesamt und späterem Berufserfolg nachgewiesen werden. Unter den einzelnen Verfahren hatte nur der Intelligenztest eine gewisse Vorhersagekraft, allerdings lag die Korrelation nur im mittleren Bereich.
Der einzige Faktor, für den eine signifikante Vorhersagekraft (allerdings nur bezogen auf Stück SUHK) nachgewiesen werden konnte, waren Vorkenntnisse in der Versicherungsbranche bei Einstellung.
In der Faktoranalyse ergaben sich bei separater Betrachtung der drei Verfahrensteile deutliche Korrelationen zwischen den einzelnen Instrumenten, es waren jedoch keine übergreifenden Korrelationen über die Verfahrensteile hinweg zu erkennen.
Bei einem validen Verfahren wäre genau das Gegenteil zu erwarten gewesen (geringe Korrelation der Instrumente bei hoher Korrelation der Verfahrensteile). Dies wurde als Hinweis darauf gewertet, dass das Verfahren über die zu messenden Eigenschaften dominierte, d.h. dass letztlich nur Artefakte gemessen wurden.
Zur Erhebung der Daten wurde eine anonyme Befragung per Fragebogen durchgeführt. Zusätzlich zu den 80 Außendienstmitarbeitern aus Schritt 1 wurden auch deren Linienführungskräfte und Agenturleiter befragt. Hinsichtlich der persönlichen Eigenschaften wurden die Außendienstmitarbeiter um eine Selbsteinschätzung gebeten, die Führungskräfte und Agenturleiter um eine Fremdbeurteilung der ihnen zugeordneten Mitarbeiter.
Die quantitativen Ergebnisse der Befragung wurden mittels einer multiplen Regressionsanalyse mit den in Schritt 1 erhobenen Produktivitätsdaten der Vermittler in Beziehung gesetzt.
Es konnten eine Reihe von Faktoren ermittelt werden, die eine signifikante oder sogar starke Korrelation mit dem Berufserfolg aufwiesen:
Wenn das Auswahlverfahren so angepasst wird, dass es die in Schritt 2 identifizierten persönlichen Erfolgsfaktoren für Außendienstmitarbeiter quantitativ ermittelt und bei der Eignungsbeurteilung berücksichtigt, wie gut ist dann die Vorhersagekraft des Verfahrens im Hinblick auf den zukünftigen Berufserfolg (Produktivität) der Kandidaten?
Zunächst wurde das bestehende Auswahlverfahren an die zuvor gewonnenen Erkenntnisse angepasst. Auf die Rollenspiele wurde verzichtet, dafür wurde das Interview ergänzt um Fragen zur Ermittlung der persönlichen Erfolgsfaktoren. Anschließend durchliefen die 80 Außendienstmitarbeiter das veränderte Auswahlverfahren und wurden nach den neuen Eignungskriterien beurteilt.
Die Ergebnisse des angepassten Auswahlverfahrens wurden mithilfe einer Regressionsanalyse zu den bereits ermittelten Produktivitätsdaten in Beziehung gesetzt.
Das angepasste Auswahlverfahren zeigte eine gute Vorhersagekraft für den Berufserfolg. Die Produktivität von Vermittlern, die das angepasste Auswahlverfahren bestanden, lag im Gesamtdurchschnitt deutlich über der von Vermittlern, die das angepasste Verfahren nicht bestanden.
Innerhalb der Gruppe der branchenfremden Vermittler (ohne Vorkenntnisse in der Versicherungsbranche bei Einstellung) war der Effekt am stärksten. Hier war die Produktivität derjenigen, die das angepasste Verfahren bestanden, nahezu doppelt so hoch wie bei denen, die das Verfahren nicht bestanden.
Kunde: ein großer deutscher Versicherungskonzern
Ausgangssituation: In der Ausschließlichkeitsorganisation des Versicherungskonzerns gab es eine hohe Fluktuation von Vertriebsmitarbeitern.
Wir wurden beauftragt, die Ursachen zu ermitteln und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.
35 fluktuierte und 34 erfolgreich verbliebene Vertriebsmitarbeiter wurden mithilfe von Fragebögen befragt. Um eine zusätzliche Perspektive zu erhalten, wurden auch die ehemals zuständigen Linienführungskräften der fluktuierten Mitarbeiter befragt.
Die übrigen Fluktuierten nannten an erster Stelle Konflikte mit dem Vorgesetzten, gefolgt von der unzureichenden Reaktion auf die von ihnen geäußerte Unzufriedenheit, mangelnden Verdienstmöglichkeiten und einem besseren Angebot vom Wettbewerb.
Bei ihren ehemaligen Führungskräften beanstandeten die Fluktuierten unzureichende vertriebliche Unterstützung und Entwicklungsförderung, geringe Zuverlässigkeit bei der Einhaltung von Zusagen, fehlende menschliche Zuwendung und Wertschätzung sowie mangelndes Vertrauen und Verständnis für persönliche Probleme.
Des Weiteren bestätigten die befragten Führungskräfte, dass die Organisation in vielen Fällen unzureichend auf die Unzufriedenheit absprungbereiter Mitarbeiter reagiert habe. Als Gründe hierfür wurden in erster Linie strukturelle Faktoren genannt. Zum einen ließen der administrative Aufwand und die hohen Führungsspannen eine intensive, persönliche Betreuung jedes einzelnen Vertriebsmitarbeiters kaum zu, weshalb man von Kündigungstendenzen oft erst erfahre, wenn es bereits zu spät sei.
Zum anderen benötige man flexiblere Strukturen in Form kürzerer Entscheidungswege und individueller einsetzbarer Vergütungs- bzw. Beschäftigungsmodelle, um gute Mitarbeiter halten zu können.